Montag, 26. Juli 2010

Kapitel 6 "A Sailorman's Hymn"

Da bin ich wieder aus meiner kurzen Pause zurück ;) Habt ihr mich auch alle schön vermisst? Nein? Öhm, naja, falls doch freut ihr euch nun bestimmt auf die Fortsetzung der Geschichte...für die ich mir langsam mal einen Titel überlegen sollte, bzw mal einen Titel finden sollte...hmpf, kommt Zeit, kommt Rat und nun viel Vergnügen!




Sean.
Sean.
Immerzu dieser Name in meinem Kopf.
Sean.
Sean.
Wie sah er aus? Wie war nochmal dieses wundervolle Lächeln, das meinen Tag erhellte?

Es ist nicht mehr wichtig. Ich selbst habe ihn in die tobende See gestoßen und brauche nicht zu hoffen, dass er zu seinem Unheil zurückkehrt.
Wie sehr ich mir wünschte, dass er so dumm wäre. Dass er mich sucht im strömenden Regen, nur um mich noch einmal zu sehen, aber... Er weiß ja nicht mal, dass ich diese grauenvolle, verräterische Stadt verlassen habe. Eine Stadt, in der nur ein Licht leuchtet. Dieses Licht heißt Sean.
Und dieses Licht wird nie wieder meine Dunkelheit im Zimmer erhellen.

Ich sitze im Zug und weiß nicht einmal wo er hinfährt; wo ich hinfahre ganz zu schweigen. Mein MP3 Player spielt ein Lied in Dauerschleife und dieses ist wohl auch der Grund, dass ich Sean in meinem Kopf verankere.
Wie schön wäre es, wenn die Hoffnung nicht lächerlich wäre. Ich würde Tag für Tag am Fenster stehen, bis zum Morgengrauen warten auf meinen mutigen Seemann, der das rettende Licht der Kerze ersehnt und zu mir nach Hause zurückkehrt.
Nur...wo ist mein Zuhause denn jetzt? Ich fahre seit 7 Stunden mit dem Zug um immer weiter weg von Nathan zu kommen, und gleichzeitig entferne ich mich immer mehr von meiner Sonne. Kann ich überhaupt glücklich sein? Dort bleiben kann ich nicht, Nathan raubt mir sämtliche Lebensenergie, aber eigentlich wollte ich auch nicht weg, denn dann würde ich ihn nie wieder sehen.
Glück oder glücklich sein ist eben nicht meine Sache.

"Ehm...entschuldigung?", vernehme ich links von mir im Gang durch eine zarte Frauenstimme, "Kann ich mich dort hinsetzen? Ich habe gern Gesellschaft beim Zugfahren und hier ist auch jeder Platz direkt am Gang besetzt..."
Wenn du gern Gesellschaft hast kauf dir einen Hund.
"Klar, setz dich, mir gehört der Zug schließlich nicht." Warum kann ich nicht aufhören dieses Lied zu hören? Und warum kommen grade jetzt wieder die Tränen in mir hoch? Erleichterung und Fernweh in Kombination ist so ermüdend.
"Danke...Wow, ist das Rot natürlich?! Ich wollte auch immer rote Haare haben, aber da muss ich wohl mit meinem schnöden braun vorlieb nehmen, denkst du nicht auch? Dauerndes Färben ist ja soo schädlich fürs Haar und naja.." - "Halt einfach die Schnauze," unterbreche ich sie ohne einen bestimmten Tonfall.
"Oh, okay...", sagt sie und wühlt in ihrem auffallend riesigen Rucksack nach - scheinbar - etwas Wichtigem.

Schon wieder vibriert mein Handy. Welch Überraschung es ist Nathan und wieder einmal droht und fleht er gleichzeitig im selben Satz; aus ihm könnte noch ein glorreicher Politiker werden. Oder Lehrer.
Ich solle nach Hause kommen, und wo wäre ich überhaupt hingegangen, mein Zuhause wäre schließlich bei ihm und so weiter.
"Oh, du bist wohl wichtig", kichert es von meiner Linken.
"Nun halt doch einfach mal deine...!", ich drehe mich zu ihr. Meine Augen werden riesig groß und ich starre sie sekundenlang an. Man ist die hübsch. Schlank, aber nicht dürr, blass aber nicht kalkig weiß und mit einem Braunton in den Haaren, wie ich es noch nie gesehen habe. Und dieses Blau...ist wie seins.
Mein blaues Meer kehrt zu mir zurück.
Mir fällt einer der Kopfhörerstöpsel aus dem Ohr. Sie blickt mich erwartungsvoll an und ich kann nicht anders, als dem Tränendrang nachzugeben.
"Ist das Lied, das du hörst, so traurig?", fragt sie mit leicht trauriger Miene. In etwa, als würde ein Kind nach einem Sturz fragen, ob es irgendwo weh tut.
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht. "Es ist schon ziemlich traurig, ja. Endlose Hoffnung, endloses Warten. Kennst du die Band Kamelot?"
Sie scheint wirklich zu überlegen: "Hmh, nein, ich denke nicht. Wie heißt denn das Lied, vielleicht kenne ich das ja?"
"A Sailorman's Hymn", sage ich leicht lächelnd.
Sie lehnt sich zu mir rüber und hält ihr rechtes Ohr zu mir hin. "Darf ich mal hören?"
Während sie den Kopfhörer in ihr Ohr hält, bewundere ich ihr kinnlanges, nussbraunes Haar, das sogar bei diesem Regenwetter einen hypnotischen Glanz aufweist.
Unsere Blicke treffen sich plötzlich und ich sehe, dass sie das Lied auch traurig stimmt.
Es wird mir unangenehm und ich wende mein Gesicht von ihr ab, sodass der Stöpsel aus dem Ohr fällt.
Einige Minuten lang sind nur die Zuggeräusche und der prasselnde Regen am Fenster zu hören.

"she remains by the window alone
staring into the rain
she is trying to guide his way home
keeps on praying for god to protect him"

"Du hörst das Lied, weil du dich damit verbunden fühlst, oder?", unterbricht sie die Stille zwischen uns, "Du wirkst, als würdest du auf jemanden warten, oder irgendwas."
"Hör auf so zu tun, als wüsstest du, was du da sagst. Du bist bestimmt nicht älter als 15," sage ich in der Hoffnung das Thema zu wechseln. Sie ist verdammt scharfsinnig, dafür, dass sie so jung ist.
"Ich bin schon 17 Jahre alt! 15 bin ich schon eine Ewigkeit nicht mehr!" Das Wort 'Ewigkeit' hat sie betonend in die Länge gezogen.
Süß. Moment, ich bin auch grade mal 19 und halte 17 Jahre für ach so jung? Wie eingebildet bin ich eigentlich?
Schmollend nimmt sie wieder ihre Suche auf. Ich frage mich ernsthaft, wonach sie da kramt.
"Suchst du was Bestimmtes?", gekonnt tonlos stelle ich diese Frage.
"Hmpf, als wenn du das wirklich wissen willst", funkelt sie mich böse an.
"Dann nicht...Zicke," murre ich und drehe mich wieder gen Fenster.

Schweigen. Selbst durch die Musik hindurch höre ich sie nach diesem Etwas wühlen. Langsam aber sicher raubt es mir sämtliche Nerven und Nathan ruft nun im Minutentakt an. Es vibriert abermals und ich gehe entnervt ran.
"WAS?!" Es folgt Stille am Telefon und meine Sitznachbarin fährt erschrocken zusammen.
Stockend höre ich die widerliche Stimme: "Na endlich, Schatz, ich hatte mir schon Sorgen gemacht!"
"Ist schon blöd, wenn das hauseigene Spielzeug einfach verschwindet, was? Aber ich sage dir eins: Ich komme nicht mehr zurück. Ich lass mich nicht mehr verstümmeln, erniedrigen und peinigen. Du kannst froh sein, dass ich deinen Arsch nicht bei der Polizei verpfeife! Und noch was: Du bist das dreckigste, ekligste, schmutzigste und perverseste Stück Scheiße das ich kenne und von jetzt an, ist diese Nummer nicht mehr vorhanden! Ich bekomme meine Rache du Lebenszerstörer!" 
Sofort und ohne auf eine Antwort zu warten lege ich auf, öffne die Rückseite meines Handys, hole hektisch meinen Akku raus,entferne meine SIM Karte und versuche mit aller Kraft diese durchzubrechen.
Wortlos reicht mir das Mädchen mit dem braunen Haar eine Schere, die sie mit einer Handbewegung aus dem Rucksack gezogen hat.
"Ich bin Holly, schön dich kennen zu lernen," sagt sie mit sanfter Stimme während die Tränen nicht versiegen wollen.
Die in zwei geteilte SIM liegt mir nun zu Füßen und ich frage mich, warum ich Sean nie nach seine Handynummer fragte.

Nunja, vielleicht sehe ich ihn ja irgendwann am Horizont, wenn der Tag anbricht. Ich für meinen Teil habe beschlossen, dass meine Dunkelheit ein Ende nimmt. Hier und jetzt.

"She lights up a candle for hope to be found
captive and blind by the darkness around
each wave a promise, a new hope reborn
sunrise consoles at the break of dawn"


"Ich heiße Carol. Du...weißt nicht zufällig, wo ich heute schlafen kann?" Mühsam kommen die Worte hörbar bei ihr an.
"Wir finden schon was, ich bin da ein kleines Genie drin. Am besten wäre es, wir steigen beim nächsten Halt aus, denn...ich finde meine Fahrkarte nicht," gibt sie mit einem kindlichen Ton zu.

1 Kommentar:

  1. Freya von der Aue30. Juli 2010 um 20:56

    Ach liebe Amsel, ich finde das Kapitel total gelungen. (Mal wieder) Ich hab dir ja die Stellen geschrieben die mich an bestimmte Sachen erinnern. "Ich bin schon 17 Jahre alt!" so nach dem Motto: "Ich bin schon groß!" ^^
    Ich kann mich total gut hineinversetzen und fiebere mit :)

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